Glaube vs. Versicherungen (3): rückhaltlos vertrauen?

Gott garantiert uns kein Leben ohne Leid. Bei allem Vertrauen wäre das eine irrige Erwartung, dass Unfälle, Krankheiten oder Verbrechen immer nur die anderen treffen. Unsere Versicherungen können Leid nicht verhindern, aber die Folgen etwas lindern – so lange es um finanzielle Folgen geht. Wir brauchen sie, weil unser Beziehungsnetz im hoch individualisierten Westen das in der Regel nicht mehr leistet.

Die Suche nach einer Alternative zu kommerziellen Versicherungen (die, das hatte ich beim letzten Post vergessen, unser Geld möglichst gewinnbringend, aber eben nicht immer möglichst segensreich im Sinne von Mitmenschen und Schöpfung anlegen) stößt uns auf die Frage, wie belastbar und tragfähig Beziehungen unter Christen sind – ob sie uns menschlich wie materiell so viel Halt geben, dass wir aus anderen Versicherungen guten Gewissens aussteigen können. Aber welche Gemeinde hat einen Topf für unerwartete Nöte und Schicksalsschläge, und wo wäre Kranke, Alte und Behinderte über viele Jahre gut aufgehoben? Und schränkt die Zugehörigkeit zu einer solchen Gemeinschaft, wenn es sie denn gäbe, unsere Mobilität nicht gravierend ein, weil es uns an einen Ort dauerhaft bindet?

Gibt es Vorbilder? Shane Claiborne berichtet in Ich muss verrückt sein, so zu leben. Kompromisslose Experimente in Sachen Nächstenliebe davon, dass sie bei The Simple Way ein Art Geldpool statt der üblichen (aber in den USA nicht sebstverständlichen) Krankenversicherung eingerichtet haben. Das wäre zum Beispiel so ein Schritt. Aber wem wird eigentlich nicht mulmig dabei, sich anderen so rückhaltlos anzuvertrauen, dass man am Ende tatsächlich auf sie angewiesen wäre?

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Klar im Kopf?

Gestern habe ich einen anregenden Abend mit Theologiestudenten in Neuendettelsau verbracht. Ich sollte über die Frage sprechen, wie charismatische Spiritualität und wissenschaftliche Theologie zusammenpassen – plump gesagt also: ob man denn als “Charismatiker” den Verstand an der Garderobe abgeben muss. Ich hatte keine Ahnung, wie sich das atmosphärisch so gestalten würde und habe mich über das konstruktive Gespräch ohne Polemik auf irgendeiner Seite gefreut. Sich als Postcharismatiker zu definieren hilft dabei vielleicht – es gibt mir die Freiheit, mich differenziert zu verhalten.

Zugleich war es für mich selber interessant, in der Vorbereitung meine eigene Entwicklung durchzugehen und manche Erfahrungen, Spannungen oder Konflikte noch einmal zu betrachten – auch in großer Dankbarkeit. Als Jugendlicher kannte ich nur eine ernste, mild depressive Kirchlichkeit oder aber verklemmte und verbissene “Fromme”. Der Grundton der Freude, Hoffnung und Dankbarkeit, den ich in der charismatischen Frömmigkeit zum ersten Mal kennen lernte, war erfrischend anders. Klar kann der auch künstlich werden. Und doch entspricht er, wenn er authentisch ist, der vorherrschenden Stimmung, die wir auch im Neuen Testament finden.

Als wir neulich für den Besuch von Michael Herbst Passanten zum Thema Kirche befragt haben, haben uns gleich mehrere Leute erzählt, dass sie von fröhlichen, lebendigen Gottesdiensten sehr angetan waren. Nur waren das immer Erlebnisse aus dem Ausland – bei uns hatten sie solche Gemeinden bisher nicht gefunden. Daher waren sie auch aus der Kirche ausgetreten oder zumindest sehr distanziert. Ich konnte das gut verstehen – es wäre mir genauso gegangen.

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