Das kosmische Ei

Richard Rohr spricht in Ins Herz geschrieben vom „kosmischen Ei“, und das Bild ist bei mir hängengeblieben. Menschen leben und denken in verschiedenen Sphären.

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Die innerste Sphäre ist das eigene Selbst, und in einer zum Narzissmus neigenden Zeit, die zudem ein immenses Vokabular und Sensorium für psychische Vorgänge erfunden hat, kann man sich in der Innenwelt völlig verlieren und sie zum Ersatz für echte Transzendenz machen.

Die zweite, größere Sphäre ist die eigene Gruppe, wobei es keine Rolle spielt, ob damit nun die Sippe, ein bestimmtes Milieu, die Nation oder die jeweilige Kultur gemeint ist. Während im ersten Fall der Gegensatz die Außenwelt ist, sind es hier „die anderen“. In vormodernen Kulturen wachsen die meisten Menschen in einer ausgeprägten Gruppen-Identität heran.

Die dritte Sphäre, die alles überwölbt, ist die des Ganzen: Hier wird nichts mehr ausgeblendet oder ausgeschlossen, im Mittelpunkt steht aber auch nicht mehr das individuelle Ego oder das der Gruppe. Hier kommt das universale Denken ins Spiel. Wenn es richtig läuft, geschieht das nicht so, dass es das individuelle und gemeinschaftliche Denken verdrängt. Die Zugehörigkeit zu der großen Geschichte Gottes mit der ganzen Schöpfung macht es aber möglich, die Begrenzungen der Gruppenidentität zu überwinden und sich von den Verletzungen aus der persönlichen Lebensgeschichte nicht bestimmen zu lassen.

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