Menschenfischer

Bei unserer Büroandacht stießen wir gestern auf das Wort Jesu an seine ersten Jünger, sie sollten „Menschenfischer“ sein. Das weckt ganz unterschiedliche Assoziationen: Vor dem Hintergrund der rücksichtslosen industriellen Ausbeutung und Überfischung der Meere erscheint die Metapher als unpassend. Wer – beziehungsweise: was hier „gefischt“ wird, den erwartet der Tod und nur der Tod, nicht die „Fülle des Lebens“. Von daher ist es unglücklich, wie dieser Ruf manchmal etwas plump und ohne großes Problembewusstsein zur Begründung dieser oder jener evangelistischen Methodik und Strategie benutzt wurde, in der Menschen eher als Objekte erscheinen.

Wenn das aber vermutlich nicht gemeint war, knüpft dann Jesus mit dem Begriff am Beruf und der Kompetenz von Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes an? Erscheint damit Nachfolge als etwas, auf das Gott sie schon vorbereitet hat? Was würde Jesus einem Metzger, einem Taxifahrer oder einem Informatiker dann sagen?

Vielleicht ist da auch etwas dran. Ich denke aber, man muss – wie so oft – ein paar Seiten zurückblättern in der Bibel. Dann findet man die folgenden Verse:

Darum seht, es werden Tage kommen — Spruch des Herrn -, da sagt man nicht mehr: „So wahr der Herr lebt, der die Söhne Israels aus Ägypten heraufgeführt hat!“, sondern: „So wahr der Herr lebt, der die Söhne Israels aus dem Nordland und aus allen Ländern, in die er sie verstoßen hatte, heraufgeführt hat.“ Ich bringe sie zurück in ihr Heimatland, das ich ihren Vätern gegeben habe. Seht, ich hole viele Fischer — Spruch des Herrn -, die sollen sie fangen (Jer 16,14-16)

Die Menschenfischer sammeln Gottes Volk aus der Zerstreuung und symbolisieren das Ende des Exils. Anders gesagt, sie sind das erkennbare Zeichen dafür, dass Gottes Schweigen in Israels Geschichte und seine Abwesenheit ein Ende haben, dass seine Herrschaft anbricht und für das zwischenzeitlich verstoßene Israel wie für die ganze Welt Heilung bedeutet.

Die Menschenfischer sind unterwegs mit der Botschaft von der großen Heimkehr. Sie erinnern Menschen an ihre möglicherweise schon fast vergessene Bestimmung. Und wer sich erinnern lässt, ist damit schon selbst zum Menschenfischer geworden.

Vergleichen kann man das, sagt Jeremia, eigentlich nur mit dem Exodus zur Zeit Moses. Aber der wird von dieser Befreiungsaktion locker überboten. Und Jesus weitet das auch gleich noch universal aus: In seiner Verkündigung fehlt der Bezug auf das Land, den es bei Jeremia noch gab: Auch die Heiden werden kommen und bei Gott zu Tisch sitzen. Viele werden es sein.

Wenn das keine adventliche Botschaft ist…

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