Liebe, Zorn und Heiligkeit

Ich habe die (inhaltlich gar nicht neue) Aufregung um Rob Bells neues Buch kürzlich erwähnt, das Thema beschäftigt mich ja immer wieder. Ein paar Vorab-Verrisse habe ich überflogen, die Präzensenten scheinen mir aus der theologischen Schule von John Piper und Al Mohler zu stammen.

Hier prallen theologische Welten aufeinander, vor allem aber Gottesbilder. Und da ist es so wie in der Christologie: Wenn man mal auf dem falschen Fuß beginnt, hinkt alles, was danach kommt. Christologisch lag der Fehler lange Zeit darin, von einer abstrakten „göttliche Natur“ auszugehen, deren Attribute (Allmacht, Allwissen, Allgegenwart) dann die Menschlichkeit Jesu derart sprengten, dass es zu absurden Folgeschlüssen kommen musste. Etwa so, dass der irdische Jesus göttliche idiomata wie Allgegenwart „verhüllt“ ausübt.

Hier liegt m.E. ein ähnliches Problem auf Seiten der Kritiker vor: Gottes primäre Eigenschaft ist für sie die Heiligkeit. Heiligkeit zerfällt dann für sie in die zwei (konträren) Charakteristika von Zorn und Liebe. Man ist hier an die Dialektik von Gesetz und Evangelium erinnert, nur dass es eben Gottesattribute sind und keine Wirkweisen der Schrift. Und dieser Dualismus zieht sich nun ausgehend vom Gottesbild durch die ganze Heilslehre, daher eine streng symmetrisch gedachte doppelte Prädestination, in der die Verwerfung und ewige Qual eines Teils – möglicherweise des Großteils – der Menschheit als ein Akt erscheint, durch den Gott seine Heiligkeit erweist und seine Ehre mehrt. Daher auch das Insistieren auf der Vorstellung ewiger Höllenqualen – sie sind in dieser Logik eben auch nötig um der Ehre Gottes Willen.

Was auf den ersten Blick vielleicht noch wie eine Verschiebung von Nuancen wirkt, hat gravierende Folgen – vor allem seelsorgerliche, durchaus aber auch politische. Es beeinflusst nicht nur die Verkündigung (das berüchtigte „turn or burn“), sondern auch Kirchenstrukturen und den Umgang mit Macht. Denn natürlich liest man mit dieser Brille dann auch die Bibel und aus derselben die Bestätigung des eigenen Standpunktes heraus, der doch in Wirklichkeit schon die Prämisse des Denkens war.

Im Grunde muss sich diese Theologie also die Frage stellen lassen, die Papst Benedikt XVI in seiner Regensburger Rede an den Islam stellt: Ist Gott primär als absolut transzendenter, undurchschaubarer Wille zu verstehen, oder hat er sich auf den vernünftigen (darum geht es Benedikt in dem Zusammenhang) – wir könnten aber auch hinzufügen: liebenden und barmherzigen – Umgang mit seinen Geschöpfen festgelegt? Der Heiligkeitsbegriff als primärer theologischer Anker öffnet das Gottesbild für eine eine gewisse Persönlichkeitsspaltung. Mein Verdacht ist – man müsste der These mal genauer nachgehen, ein nettes Promotionsthema mit vielen Fußnoten – ob nicht gerade eine gewisse Schwierigkeit, mit den Ambivalenzen des Lebens und der Schrift fertig zu werden, dazu führt, dass man diese überspringt und letztlich in die Gottesvorstellungen selbst zurückverlagert. Problematische Gewalt entschwindet so im Schatten unhinterfragbarer und unantastbarer Heiligkeit.

Ordnet man dagegen Heiligkeit und Zorn der Liebe unter, sieht alles anders aus. Ein gewaltfreies Gottesbild wird möglich, das jedoch keineswegs harmlos ist. Gottes Zorn wird nicht als ein ausschließender Zorn in seine Heiligkeit, sondern als leidenschaftliche Solidarität mit den Opfern von Gewalt und Unrecht in seine Liebe integriert. Sein Ehrgeiz liegt darin, nicht nur die 99 Schafe zu behalten, sondern auch das eine verlorene noch zu finden. Dafür riskiert er alles. Wo meine Sympathien liegen, brauche ich nicht zu erklären.

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