Barth Missional (15): Die Vielfalt der Gemeinde

Lange vor fresh expressions und mixed economies ging Karl Barth in KD IV,3 dem Wirken des Geistes in der Gemeinde nach und erkundete die charakteristisch christliche Spannung von Einheit und Vielfalt. Auf der Seite der Gemeinde ist Letzteres für ihn der Ausgangspunkt:

Der Heilige Geist ist nun einmal kein Gleichmacher. Und so kann die christliche Gemeinde auch ganz abgesehen von der natürlichen Individualität ihrer Angehörigen und von deren Gefahren keine Kaserne, können ihre Angehörigen nicht deren uniformierte Bewohner, kann ihr Tun nicht die Ausführung eines ihnen allen gleichmäßig eingedrillten Manövers sein. (KD IV,3 S. 981)

Von daher ist es nur noch ein kurzer Schritt zum folgenden Gedanken, dass die Gemeinschaft der Kirche aus unterschiedlichen Gemeinschaften besteht, die den allgemeinen Auftrag in vielfältigen Formen und Konkretionen leben, ohne dass

die die ganze Gemeinde konstituierende «Gemeinschaft des Heiligen Geistes» ( 2. Kor. 13, 13), in der die Einzelnen sich allein ernsthaft an ihrem Dienst und Zeugnis beteiligen können, aus der sie also unter keinen Umständen heraustreten dürfen, wird sich konkret immer in Gestalt von besonderen Gemeinschaften derer darstellen, die sich im Rahmen des einen Tuns der einen Gemeinde im Besonderen zu einem gleichen oder doch ähnlichen Tun berufen und begabt finden. Sie darf, sie muß sich entfalten in besonderen Arbeitsgemeinschaften, zu denen dann nicht ohne weiteres alle Christen gehören können und werden,

Diese besonderen Gemeinschaften sind erwünscht und nötig, gerade weil es um den einen Auftrag der einen Kirche geht. Und wo es um den tatsächlich geht, ist es auch völlig in Ordnung, dass nicht alle Christen dort ihren Platz sehen und sich an dieser konkreten Form des Dienstes beteiligen. Dabei ist nun gerade nicht ein ausgedehntes Filialnetz gemeint, wo überall alles dasselbe tun und die Unterschiede nur geografischer Natur sind, sondern ganz unterschiedliche Typen von kirchlicher Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Freilich dürfen sie nie zum Selbstzweck werden, keine „auf die Befriedigung gewisser gemeinsam empfundener seelischer Bedürfnisse bedachte Zusammenrottungen von Gleichgesinnten oder Gleichgestimmten“. Wo diese Gefahr nun gesehen wird,

… da ist es nicht nur zu begrüßen, sondern zu fordern, daß es im Rahmen der allgemeinen Gemeinschaft aller Christen auch zur Entstehung und zum Bestand besonderer Gemeinschaften Einiger oder Vieler unter ihnen kommt. Gerade in der Vielzahl solcher Arbeits-, Dienst- und Zeugnisgemeinschaften wird dann die Einzahl der lebendigen Gemeinde des lebendigen Jesus Christus nur um so kräftiger wirksam und sichtbar werden.

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