Traumjob, Traumhaus und was man sonst so braucht

Der Arbeitspsychologe Tim Hagemann hat vor einer Weile im Interview mit Zeit Online erklärt, dass in unserer Gesellschaft der Beruf für das Selbstwertgefühl zum maßgeblichen Faktor geworden ist:

Unsere Leistungsgesellschaft definiert ein glückliches Leben als eines, in dem ein erfüllender Job Wohlstand und Ansehen einbringt, zugleich braucht es noch einen Traumpartner, eine Traumwohnung, Traumkinder und einen Traumfreundeskreis. Menschen, die sich diesem gängigen Idealbild verweigern, müssen ein großes Selbstwertgefühl haben.

Wer die anerkannten Karrierepfade verlässt, gilt als „gescheitert“ und muss mit einem gehörigen Ansehensverlust rechnen. Anerkennung für alternative Lebensentwürfe gibt es (in Deutschland wenigstens) kaum. Man fragt hier eben: Was sind sie von Beruf?

Auf die Frage, ob der Verlust von Religion und Spiritualität da eine Rolle spielt, sagt Hagemann nur, die Kirche habe ihre Deutungshoheit im Blick auf den Sinn des Lebens verloren. Die andere Seite dieser Entwicklung ist ja die, dass (katholische Priester mal ausgenommen) in den großen kirchlichen Institutionen sich ziemlich analoge Karrierepfade herausgebildet haben wie in Verwaltung und Industrie, und dass im konservativen bürgerlichen Milieu, wo die Kirchen noch den stärksten Rückhalt haben, dieselben Maximen gepredigt werden: Sieh zu, dass Du einen guten Beruf lernst und einen sicheren Arbeitsplatz bekommst. Zu viel Idealismus ist da nur gefährlich.

Die Frage, der man weiter nachgehen müsste, wäre also: welche Spiritualität ist verloren gegangen – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche? Was hält Menschen davon ab, ihr Selbstwertgefühl nicht mehr an die Arbeit zu binden? Wie können Gemeinden ein Umfeld schaffen, in dem jeder in aller Freiheit erkunden und austesten kann, wie er sich freischwimmt von dem Zwang, die eigene Identität im Rennen um die besten Plätze auf der Karriereleiter und nach den gefragten Konsumartikeln sichern zu müssen?

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