Ein schwarzes Jahr für die Bildung

In den letzten Wochen hat mich das Thema Bildung schwer beschäftigt. Einerseits stand ich als Dozent vor der Aufgabe, eine Gruppe Studenten in Zürich in drei Tagen an die alte Kirche und das frühe Mittelalter heranzuführen: Was kann man da voraussetzen und erwarten, was nicht? Andererseits bekomme ich als Vater einer Studentin (an einer Uni, an der auf Jahre hinaus Chaos herrschen wird durch Doppelabitur und das gleichzeitige, ebenfalls von einem CSU-Mann eingeleitete, Ende der Wehrpflicht) und zweier Schüler der G8-Oberstufe (demnächst dann vielleicht an einer Uni, an der weiter der Doppelwahnsinn tobt) auch genug von der anderen Seite mit. Und über die Verhältnisse an den Grundschulen informiert mich meine Frau.

Am Ende des Jahres 2011 bin ich zu dem Schluss gekommen, dass konservative Bildungspolitik knallharte Klientelpolitik ist – für ein bürgerliches Milieu, das den sozialen Abstieg fürchten muss und sich nach unten abschotten möchte. Da die Unterschicht ohnehin nicht wählen geht, kann man sich das in Bayern leisten. Wollte man wirklich etwas anderes, dann hätte man längst mehr Lehrer eingestellt, die Klassen verkleinert, die Stellen für Sozialarbeiter und Schulpsychologen aufgestockt und deutlich mehr Hilfen und Förderprogramme installiert, damit auch Kinder, die von den Eltern nicht gefördert werden (können?), eine Chance haben.

Aber die sollen sie nicht bekommen, sondern irgendwie von Billigjobs und Hartz IV leben und „Unterschichtenfernsehen“ gucken. Es ist wie im 19. Jahrhundert: das aufstiegsorientierte Bürgertum passt sich nach oben an (diesmal an den Geldadel) und macht nach unten dicht, statt sich zu solidarisieren und den egozentrischen Eliten einzuheizen. Daher fallen die Proteste so zaghaft aus, obwohl längst die OECD Deutschland nicht nur für die soziale Spaltung, sondern auch für die dürftigen Investitionen in die Zukunft unserer Kinder rügt. Wie schnell man, wenn man nur will, ein paar Milliarden locker macht, haben wir bei der Bayern-LB gesehen. Da nämlich hatten die schwarzen Eminenzen ein sehr lebhaftes Interesse an schneller Abhilfe…

Dieter Timmermann, der neue Präsident des Deutschen Studentenwerks, kommentierte die Lage jüngst so:

Wollte Deutschland in etwa den gleichen Anteil des Bruttoinlandsprodukts für die Finanzierung seines Hochschulsystems bereitstellen wie die skandinavischen Länder, müsste das Ausgabenniveau dauerhaft um mindestens 50 % steigen. Hinzu kommen die anstehenden Mehrausgaben für den Ausbau der Vorschulerziehung für die unter Dreijährigen und für den notwendigen flächendeckenden Ausbau der Halbtags- zu Ganztagsschulen. Außerdem hinkt Deutschland bei den Ausgaben für das lebenslange Lernen hinterher.

Wir brauchen ganz dringend einen echten Politikwechsel. Und am Thema Bildung werde ich 2012 dran bleiben.

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