Mitte der 80er Jahre hatte die charismatische Bewegung ihren Zenit erreicht. Damals ahnte das keiner, alle schienen zu glauben, die Kurve würde immer weiter nach oben zeigen und die große Erweckung sei nur eine Frage der Zeit. Doch so weit ich sehe, stagniert die Entwicklung seither, zumindest in den traditionellen Kirchen. Pfingstgemeinden und ihre Verbände wachsen recht moderat weiter, und manches Element charismatischer Spiritualität (Segnung oder Gebet für Kranke mit Handauflegung, „Lobpreislieder“, Gabenorientierung im Gemeindebau, „innere Heilung“) ist zum Allgemeingut geworden, das man heute fast überall antrifft.
Die einst jugendlich-ungestümen Leiterrunden begannen zu ergrauen. Der Brite Gerald Coates schrieb zehn Jahre später etwas provokativ von der „postcharismatischen Depression“. Eine Trotzreaktion blieb aus. Um so spannender fand ich die Beobachtung, wie praktisch eine Generation später an manchen Stellen nun eine Art „Retro-Effekt“ auftritt. Nachdem sich Gruppen und Gemeinden die letzten 20 Jahre an diesem oder jenem Thema oder Projekt versucht hatten, gehen jetzt etliche wieder zurück zum Stil und den Inhalten von damals.
Freilich hat sich die Welt um uns her minimal verändert in dieser Zeit. Ist dieser Retro-Kurs also ein stylisches „Back to the Roots“ wie der Mini und der Cinquecento im Automobilbau, oder schon der Nostalgiezug in Richtung Museum?