Anbetung als Parodie

In unserem Adventsgottesdienst heute stand die „Thronsaalvision“ aus der Offenbarung des Johannes (Kapitel 4-5) im Zentrum. Passend dazu haben wir etliche Lieder – als und neu – gesungen, die sich der Bilder und Symbole dieses Textes bedienten. Daniel Hufeisen wies dann in seiner Predigt darauf hin, dass neben vielen alttestamentlichen Bezügen vor allem auch die Thronbesteigungszeremonie der römischen Kaiser im Hintergrund dieser Schilderung steht.

Man kann das also so lesen: Da wechselt diese kleine religiöse Minderheit den erhabenen Kaiser in der ewigen Stadt Rom gegen ihren in Schmach und Schmutz gekreuzigten Messias. In den Augen des Systems eine ähnliche Persiflage auf die wahren Machtverhältnisse wie zwei Generationen zuvor der Einzug Jesu am Palmsonntag in Jerusalem auf einem königlichen Reittier, mit Jubelrufen, Palmen und Mänteln auf der Straße und aller messianischen Symbolik, die man ad hoc aufbieten konnte. Sein Gegenstück findet dieser Einzug dann in der Symbolik der Dornenkrone und des Titutlus am Kreuz.

Nicht nur wird mit dieser Schilderung des Johannes der Machtanspruch der Herrschenden ironisiert, es wird auch ein paradoxer Machtanspruch aufgerichtet, der allen sichtbaren Machtverhältnissen spottet.

Und jetzt meine Frage: Wenn das eine Parodie ist, müssten unsere Lieder das nicht irgendwie widerspiegeln? Wird man ihr gerecht, wenn man sie einfach so ungebrochen und aus dem Zusammenhang gerissen vertont und wiederholt, und dabei die antike Symbolik (die uns heute ganz fremd geworden ist) für bare Münze nimmt, ihr also die herrschaftskritische Spitze damit abbricht?

Ich habe immer ein mulmiges Gefühl bei diesen Liedern, in denen sich die königlichen Attribute und Unterwerfungsgesten so massiv häufen. Erstens sind solche Texte im Laufe der Geschichte immer wieder zur Legitimation „christlicher“ Herrschaft (sei es Papst oder Kaiser, ich habe gerade wieder drei Tage Kirchengeschichte des Mittelalters unterrichtet) herangezogen worden, als säße Gott an der Spitze einer Machtpyramide, auf deren mittleren Rängen dann Könige und Adel folgen und der Rest – wir – auf den untersten Etagen, ohne das Recht aufzumucken.

Gott so naiv als orientalischen Potentaten (der römische Kaiserkult kam ja aus dem Osten!) hinzustellen hat zudem auch etwas total Unwirkliches in unserer Welt, die so sehr ihren eigenen Gesetzen zu gehorchen scheint und in der ganz andere Mächte den Ton angeben. Vielleicht kommen wir viel näher hin, wenn wir (analog zur Johannesoffenbarung) den Kult unserer Zeit, seine Machtdemonstrationen und seine Heilsversprechen ironisch brechen und ihr die ganz andere Macht Gottes gegenüberstellen?

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