Torn (11): Und jetzt?

Justin Lee schließt seine Geschichte mit Gedanken dazu, wie sich das Verhältnis zwischen Homosexuellen un Christen konstruktiv weiterentwickeln lässt. Christen müssen erstens Andersdenkenden weitherziger begegnen. Homosexuelle erleben die meisten Christen immer noch als Menschen, die sie ablehnen oder meiden und alle möglichen Vorurteile pflegen.

Zweitens geht es darum, Christen konstruktiv anzuleiten im Umgang mit Homosexuellen. Dabei ist kaum etwas so wichtig wie das Erzählen der eigenen Geschichte. Wenn sich ein Mensch öffnet und ein anderer ihm zuhört, dann können Ängste und Hemmungen überwunden werden.

Drittens gilt es, den Ansatz der „Ex-Gay“-Bewegung aufzugeben. Hier wird Lee immer wieder gefragt, ob eine solche Arbeit nicht wenigstens einer kleinen Minderheit wirklich nützt und daher unterstütz werden sollte. Manche Christen scheuen davor zurück, von Homosexuellen Enthaltsamkeit zu verlangen, ihre theologische Position lässt aber keinen anderen Spielraum zu, daher erscheint die Aussicht auf eine eventuell erfolgreiche Therapie attraktiv. Auf der Negativseite steht jedoch zu Buche, dass der Ansatz bei den meisten scheitert und auf dem Weg dahin viel Schaden entstehen kann – für die Betroffenen selbst, für ihren Glauben und für die Menschen um sie her. Der Glaube an die Therapierbarkeit hat zudem (auch wenn die unterschiedlichen Ex-Gay-Gruppen ihre Erfolge inzwischen bescheidener darstellen) oft dazu geführt, dass jemand, der nicht an diesen Treffen teilnehmen wollte, sich den Vorwurf gefallen lassen musste, er drücke sich ja nur um den anstrengenden Prozess der Veränderung.

Viertens muss es für Homosexuelle auch in Ordnung sein, zölibatär zu leben und dabei zu seiner Homosexualität zu stehen. Diese Gruppe darf nicht zwischen den anderen Positionen zerrieben werden: Heterosexuelle und Ex-Gays neigen dazu, diesen Weg ebenso mit Argwohn zu betrachten wie Homosexuelle, die sich für eine Partnerschaft entscheiden. Und dann müssten Gemeinden auch aktiv Wege suchen, diese Menschen zu unterstützen (vor allem dann, wenn ihre Theologie keinen Raum bietet für Partnerschaften zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau). Zusätzlich wird das noch dadurch erschwert, dass Christen das Alleinleben an sich tendenziell schon als defizitären Zustand begreifen; darunter leiden dann auch viele heterosexuelle Singles, aber die müssen sich wenigstens keine harten Worte wegen ihrer Orientierung anhören.

Fünftens muss der Mythos überwunden werden, die Bibel sei gegen Homosexuelle. In der konservativen kirchlichen Tradition hat sich aufgrund dieser Ansicht die Neigung zu scharfen Abgrenzungen durchgesetzt, während „liberalere“ Zeitgenossen wohlmeinend einwenden, man dürfe die Bibel eben nicht allzu wörtlich nehmen. Da hören die anderen statt „nicht wörtlich“ „nicht ernst nehmen“ heraus und es entsteht wieder der Eindruck, dass „Bibeltreue“ immer irgendwie Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit nach sich zieht. Aber Justin Lee hatte ja schon gezeigt, dass man die Bibel durchaus ernst nehmen und trotzdem Raum für gleichgeschlechtliche Partnerschaften sehen kann.

Es folgen noch zwei weitere Vorschläge, für die brauche ich etwas mehr Platz und Zeit, es wird zu Torn also noch einen letzten Post geben.

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