Westen lernt vom Osten

Der Anglikanische Theologe und vormalige Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, hat einen schönen kurzen Text über das Herzensgebet geschrieben. Hier ein kleiner Auszug:

Das Gebet ist keine Form von magischer Beschwörung oder Autosuggestion – einfach ein Vehikel, um sich langsam zu lösen von abgelenkten, wandernden Bildern und Gedanken. Die werden auftreten, aber man wiederholt einfach die Worte und bringt die Aufmerksamkeit zu ihnen zurück. Wenn es richtig läuft, dann entsteht so etwas wie ein unscharfes Bild oder etwas im Inneren des Körpers, das sich anfühlt wie ein Hohlraum, eine Höhle, in der der Atem kommt und geht, und darunter liegt der Puls. Wenn man es theologisch ausdrücken möchte, ist es eine Zeit, in der man sich seines Körpers bewusst ist als eines Ortes, an dem das Leben geschieht, und wo daher auch Gott geschieht – ein Leben, das in einem lebt.

So beginnt der Tag mit einem konkreten körperlichen Erinnerung daran, dass deine individuelle Existenz durchatmet wird von einem Leben, über das du nicht verfügst; und in Augenblicken der Spannung oder Angst während des Tages verbindet dich bewusstes Ein- und Ausatmen mit diesem Leben, das nicht dein eigenes ist, lässt die Angst abtauchen und mildert die Spannung – auch wenn es den schmerz oder Zweifel nicht einfach wegnimmt, Probleme löst oder eine Art spirituelles Kribbeln hervorbringt. Es geht darum, wieder verbunden zu sein.

 

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