Auf eigenen Füßen

Gut zwei Wochen habe ich in den eher entlegenen Ecken Schottlands verbracht, doch beim Umsteigen auf dem Rückweg haben wir in Düsseldorf mehr Kilts gesehen als in all den Tagen dort, denn die Fans der schottischen Nationalmannschaft waren auf der Heimreise. Richtig angekommen ist in Deutschland aber das Interesse am Referendum über Schottlands Unabhängigkeit. Seit ein „Ja“ nicht mehr unwahrscheinlich ist (und wegen der momentanen leichten Beruhigung anderer Krisenherde), macht die Entscheidung hier mächtig Schlagzeilen. Während ich mich wieder daran gewöhne, hier auf der rechten Straßenseite zu fahren, entscheiden die Schotten über die Richtung für die Zukunft.

Als bayerischer Freistaatsbürger ist man ja chauvinistische Flirts mit separatistischem Gedankengut gewöhnt, rund um den Länderfinanzausgleich etwa klingt das Motiv immer wieder zaghaft an, freilich ein leicht zu durchschauendes Manöver. Denn eigentlich ist es ein Anachronismus, wenn sich ein Teil eines europäischen Landes verselbständigen würde. Nach einem (möglicherweise ablehnenden) britischen Referendum zur Mitgliedschaft in der EU hätte ich das besser verstanden, dachte ich bis letzte Woche.

Tatsächlich gibt es aber schon jetzt eine Reihe wirklich guter Gründe für die Schotten, sich selbständig zu machen. Wer will schon in einem Staat leben, in dem so destruktive Kräfte wie die UKIP Wahlen gewinnen können, in dem das Mehrheitswahlrecht die Machtverhältnisse (in der Regel zugunsten der Konservativen) verzerrt, in dem der Finanzsektor weitgehend die Wirtschaft dominiert und die Politik beherrscht und in dem man in London nicht mit Pfundnoten bezahlen kann, die ein Geldautomat in Edinburgh ausgespuckt hat?

Wenn die Bravehearts also nächste Woche mehrheitlich mit Ja stimmen, dann sollten wir sie in Europa möglichst schnell und herzlich aufnehmen. Zur Einstimmung auf die nächsten Tage empfehle ich das Interview der SZ mit Bob Ross.

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