Koscherer Wein: Eine Preisfrage

Auf dem Berg Garizim, der sich über Nablus im Westjordanland erhebt, liegt eine jüdische Siedlung, mit Schlagbaum und Stacheldraht abgegrenzt. Einer der Siedler führt uns durch seinen Weinberg. Er trägt eine Kippa unterm Käppi und sagt anfangs in jedem dritten Satz „Praise the Lord“. Er liebt seinen Wein und das Land, das – so sagt er – Gott ihnen gegeben hat. Im Buch Jeremia sei doch schon angekündigt, dass sie in Samaria wieder Wein anbauen würden.

Jedes Jahr kommen christliche Freiwillige aus den USA und helfen bei der Lese. Wir bekommen die gekühlten Tanks gezeigt und machen eine kleine Weinprobe. Der Wein ist gut, aber er kostet auch ein kleines Vermögen. Ich frage noch einmal nach dem Land. Er versichert mir, dass die Siedler sich das Land nicht etwa genommen hätten, sondern die Regierung habe es ihnen legal zugeteilt. Ich frage nicht mehr, wie das gehen kann, wenn ein Territorium besetzt ist und das Land anderen Menschen gehört hat, die für den Bau dieser Siedlung enteignet wurden. Oder ob man so mit der Bibel umgehen darf.

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Der Wein ist koscher, erklärt er. Ich erkundige mich nach den Kriterien für koscheren Wein und höre, dass er von Juden gemacht sein muss, die den Sabbat einhalten. Ich frage zurück nach den Erntehelfern, die sind doch keine Juden. Na, was draußen auf den Feldern passiert, zählt nicht. Aber ab der Kelter ist die Produktion ganz in jüdischer Hand. Ich weiß nicht, wann und wo dieser Regeln erfunden wurden (in der Bibel stehen sie, so weit ich weiß, ja nicht). Aber so kann man einen ganzen Wirtschaftskreislauf und eine Wertschöpfungskette durch religiöse Vorschriften nach außen abschließen, eine Art geistig-ökonomischer Stacheldraht.

Ich frage die palästinensischen Christen, wie es ihnen damit geht, dass christliche Zionisten aus den USA die Siedler und damit auch die Politik der Enteignung und den Bruch des internationalen Rechts unterstützen. Sie seufzen, ein bisschen resigniert. Die meisten Amerikaner wissen vermutlich nicht, dass es unter den Palästinensern auch Christen gibt und dass diese Christen genauso wie ihre muslimischen Nachbarn und Freunde unter der systematischen Zerstückelung ihres Landes und den vielen Demütigungen der Besatzungsmacht leiden.

Ich kaufe zögernd eine kleine Menge von dem teuren Stoff. Aber ich weiß, den eigentlichen Preis für das Trinkvergnügen haben andere bezahlt.

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