Der Parzany in mir

Vor einer Weile habe ich mich zu den Auseinandersetzungen innerhalb der Deutschen Evangelischen Allianz so geäußert:

Michael Diener, der in einem Interview mit der „Welt“ sagte, er achte und betrachte auch diejenigen als Brüder und Schwestern, die seine (konservative) Position im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht teilen. Und Ulrich Parzany, der sich nur denen verbunden fühlt und über den Weg traut, die sich von denselben Leuten distanzieren und fern halten wie er selbst.

Nun bin ich in diesen Tagen zu manchen kritischen Kommentaren auf diesem Blog befragt worden und merke, dass es mir formal betrachtet manchmal ähnlich geht wie Parzany, nur in umgekehrter Richtung. Ich komme zwar in der Frage von Homosexualität mit den Differenzen klar und erwarte nicht, dass alle meine Position teilen. Aber wo die Mitchristen an den rechten Rand rücken, sich der AfD zurechnen oder deren Inhalte verbreiten, wo sie Polemiken gegen vermeintlichen „Gender-Wahn“ abfahren oder pauschale Vorurteile gegen Muslime befördern, da hört für mich der Spaß auf, und die Gemeinsamkeit kommt an Grenzen. Früher fand ich das peinlich, heute halte ich es für gefährlich – und daher hadere ich auch immer wieder mal mit anderen, die sich nicht klar abgrenzen und distanzieren: Verlage oder Konferenzveranstalter, die Leuten wie Kuby und Kelle eine Plattform bieten oder deren leitende Mitarbeiter mit der AfD liebäugeln und die gegen „Gutmenschen“ wettern lassen, möchte ich persönlich lieber nicht unterstützen. Egal, was sie sonst noch so machen.

Denn dieser rechte Rand schadet unserer Gesellschaft unter dem Vorwand, Schaden bekämpfen zu müssen. Liane Bednarz beschrieb diesen Teil der Christenheit jüngst in der FAZ so: „… sie pflegen seit Jahren Ressentiments gegenüber der etablierten Politik und der Qualitätspresse. Und sie neigen dazu, die pluralistische Demokratie in Deutschland als diktaturähnliches System zu verunglimpfen, gegen das sich das „Volk“ zur Wehr setzen müsse.“ Der gemeinsame Nenner meiner Toleranz in die eine und meinem Wunsch nach Grenzen in die andere Richtung ist meine Überzeugung, dass wir eine offene, pluralistische und demokratische Gesellschaft brauchen (eine ausführliche biblisch-theologische Begründung für die liberale Demokratie als einer guten Staatsform findet sich beispielsweise in Miroslav Volfs „Öffentlich Glauben“).

Bin ich nun ein auf links gezogener Parzany, wenn ich mir da klare Abgrenzungen wünsche? Es wird vielen so erscheinen, die eine vermittelnde Position einnehmen: Da machen es einem die Hardliner von rechts und von links gleich schwer, weil keiner mit dem anderen mehr kann.

Vor einer Weile habe ich ein Bild – viele werden es auf Facebook schon gesehen haben – zur Illustration einer Predigt verwendet. Jesus steht auf einem kleinen Hügel und sagt: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ Jemand aus der Menge fragt: „Und wenn er Flüchtling ist, oder schwul?“ Und Jesus fragt: „Hast du was an den Ohren?“ Später fragte mich jemand, ob da nicht auch stehen sollte „und wenn er Neonazi ist?“ Und ich dachte, ja und nein. Flüchtling zu sein oder schwul ist erst einmal etwas, das man sich nicht aussucht, Neonazi zu sein ist eine Entscheidung, die auch anders ausfallen könnte. Ich möchte also nicht aufhören, Menschen an ihre Verantwortung für ihre politische Haltung und deren Folgen zu erinnern, denn das ist (bei aller Milieubedingtheit) mehr als nur schicksalhafte Prägung. Und natürlich geht es nicht darum, sie zu hassen und fertig zu machen. Aber man darf sie eben auch nicht verharmlosen, indem man sie (und das wäre mit der vorgeschlagenen Ergänzung ja der Fall) mit ihren bevorzugten Opfern auf eine Stufe stellt.

Jesus hat manche Grenzen aufgeweicht und andere verschärft. Dass Letzteres ab und an nötig ist, wenn Kirche ihren Auftrag nicht verraten und ihre Zukunft verspielen will, darin bin ich mit Ulrich Parzany und seiner Bekenntnisfraktion völlig einer Meinung. Die Ansichten darüber, wo diese Grenzen konkret verlaufen, liegen weit auseinander, aber dieses eine haben wir durchaus gemeinsam, dass wir hier stehen und nicht anders können als einander zu widersprechen.

Nicht viel, aber wer weiß, vielleicht wird eines fernen Tages ja wieder etwas Konstruktiveres daraus.

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