Schottisches Tagebuch (2): Etwas zurückgeben

Wir begegnen Tom (in Wirklichkeit heißt er anders) und seinem Freund Bill. Sie waren bis spät in der Nacht fischen – ohne Erfolg. Die Müdigkeit sieht man ihnen noch an. Dennoch ist es für beide ein willkommener Ausgleich zum stressigen Beruf. Tom sagt das immer wieder, wie gut die relative Ruhe der Highlands ihm tut und wie verrückt unser Lebensstil doch ist.

Wir erzählen von unseren jeweiligen Lieblingsorten, dann von unseren Berufen. Tom arbeitet in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb in Osteuropa. Investoren haben dort vor Jahren riesige Flächen billig aufgekauft und wirtschaften nun mit Hightech-Methoden. Die einheimischen Arbeitskräfte verdienen gut. Trotzdem denkt Tom darüber nach, aufzuhören. Er träumt davon, in seiner Heimatregion einen Hof zu kaufen und ihn ökologisch zu führen. Die beiden haben beim Angeln lange darüber geredet. „Wir haben so lange so viel von dem Land genommen“, meint Tom. „Jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“

Seine Geschäftspartner haben wenig Verständnis dafür. Aber mir geht sein Satz nicht mehr aus dem Kopf. Egal, was wir für Berufe haben: Unsere Gesellschaft hat der Erde (und allen, die auf ihr leben) mehr genommen, als uns fairerweise zusteht. Es geht darum, etwas zurückzugeben. Oder vielleicht auch weiter- und „vorauszugeben“ (im Englischen gibt es ja den Ausdruck „giving forward“).

Ökobauer werde ich wohl nicht mehr. Aber ich halte die Augen offen nach anderen Wegen.

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